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Dressur-Nationenpreis für Deutschland

15.07.2011

Im neuen Spitzenduell zwischen Totilas und Mistral Hojris, bzw. Matthias Rath und Laura Bechtolsheimer steht es jetzt 2:1 für Totilas. Die Pferde machten es den Richtern einfach: Totilas ging nahezu fehlerfrei, Mistral Hojris unterliefen in der Galopptour gleich mehrere Patzer.

Doch eine andere strahlte so, als hätte sie gerade gewonnen: Die drittplatzierte Isabell Werth, die allen Grund zur Euphorie hatte. Und die einen wichtigen Beitrag zum Triumpf der deutschen Equipe im Nationenpreis beisteuerte.
Der T-Hype ist noch da, aber die hysterische Begeisterung ebbt ab. Beim Abreiten waren Zaungäste da, reichlich, mehr als bei den anderen "Adabas" - die, die auch dabei sein. Aber auch wenn die anderen Big Names auf einem der beiden Vorbereitungsplätze vis a vis des Aachener Dressurstadions erscheinen, sind die Fans da und gucken genau.
Totilas und Matthias Rath zeigten von Anfang an, dass sie heute gewinnen wollten in der Aachener Soers. Das Halten gut, die erste Trabverstärkung so, wie der Rappe sie zeigt, hohes Vorberbein, ein Huf Übertritt von hinten. Aber schon die erste Piaffe zeigte, was Matthias Rath meint, wenn er immer wieder bei den letzten Prüfungen gesagt hatte, er müsse den Hengst in der Prüfung vorm Schenkel haben. Bei leichter Anlehnung fußte er weit unter den Schwerpunkt, hielt den Takt annähernd perfekt. Dafür gab es die erste Neun. Insgesamt war es eine Prüfung aus einem Guss, immer im Fluss. Das Paar hat zusammengefunden, harmoniert immer besser. Dass der Rappe immer noch die Tendenz hat, etwas eng zu gehen, bleibt ein kleiner Wehmutstropfen, aber eben nur ein kleiner. Denn Matthias Rath kam immer zum Reiten. Davon profitierte auch die Galopptour, schon immer die größte Angststrecke des Millionenhengstes, auch als er noch unter holländischer Flagge ging.
In der Zickzacktraversale gab es dann auch eine Ungereimtheit, einer der fliegenden Wechsel mit hoher Kruppe gesprungen. Zehnen gab es keine, dafür unzählige Neunen. Das reicht zum Siegen (82,149 Prozent).

Jetzt freut er sich, "wir sind gut im Plan". Die nächste Aufgabe ist der Special am Samstag, "die Aufgabe mögen wir", grinst Matthias Rath, der sich immer noch in der Kennenlernphase befindet, wie er betont. "Dass wir dann in Aachen so viele Punkte bekommen, das gibt natürlich Selbstbewusstsein". Und für die Kür - "ich denke, wir haben gute Chancen uns zu qualifizieren" - verspricht Rath eine wirklich neue Choreographie, nicht das Spiegelbildreiten der alten WM-Kür von Edward Gal wie noch bei der Deutschen Meisterschaft in Balve.

"Ich hätte mir heute, wie sagt man, in den A.... kicken müssen", bilanziert die Britin Laura Bechtolsheimer ihren Ritt auf Mistral Hojris. Das Vize-Weltmeisterpaar begann stark. Der Fuchs war spritzig, elastisch, alles gut durch den Körper, schon die erste Piaffe (viermal Wertnote neun) war dem Optimum nah, die Passagen davor und danach nicht weniger. Der Schritt war gelassen und schreitend, "aber er war nicht ganz auf mich konzentriert, da hätte ich schon gewarnt sein sollen", sagt Laura Bechtolsheimer, die sagt, in der Trabtour und den Passagen und Piaffen hätte sich ihr dänischer Wallach so gut angefühlt wie nie zuvor. Das bestätigten auch die Richter, die ihr für die zweite Piaffe die erste von insgesamt fünf Zehnen gaben. Drei weitere Idealnoten erhielt die abschließende Piaffe, in der der Fuchs wie ein Uhrwerk seine zwölf bis 15 Tritte absolvierte, wobei man beim mitzählen den Eindruck bekommen konnte, das am Ende die Tritte 15a, 15b und 15d waren. Auch ein Passage-Piaffe-Übergang erhielt eine Zehn. Punkte verlor das Paar, auf dem die Hoffnungen der britischen Dressurfans für die Europameisterschaft und auch die Olympischen Spiele von London ruhen, in der Galopptour: Fehler in den Zweier- und den Einerwechseln und auch in der Zickzacktraversale zogen die Noten nach unten, da halfen auch nicht die beiden gut zentrierten und schön gesprungenen Pirouetten (80,596).
Die Briten, die neben Bechtolsheimer mit ihrem fein sitzenden Shooting Star Charlotte Dujardin - allerdings mit Zweitpferd Fernandez (11./71,383) - Emile Faurie/Elmegardens Marquis (27./66,681) und Richard Davison/Artemis (14./68,894) am Start waren, wurden Zweite im Nationenpreis. Dritte wurden die Niederländer, mit einer enttäuschten Frontfrau Adelinde Cornelissen, deren Parzival sich "locker und gut wie nie angefühlt" habe, dem aber mehrere kleine Fehler unterliefen: Anstatt aus dem versammelten Schritt in die Passage zu kommen, galoppierte er kurz an. Die Linkspirouette wäre um ein Haar verunglückt und im starken Galopp sprang der Fuchs um - unterm Strich stand noch Platz vier. Nicht das, was sich die Weltranglistenerste erträumt hatte, wie ihrer Miene in der Pressekonferenz anuzsehen war. Auch die anderen Niederländer, Edward Gal mit Sisther de Jeu (häufig eng im Hals, Galopp an der Grenze zum Dreitakt, 10./71,489), Hans Peter Minderhoud und der in seinem Heimatland hochgepunktete Hengst Tango, der außer in der Passage einen steifen und unelastischen Eindruck hinterlässt und der im Fach Versammlung entweder dauerkrank war oder ein notorischer Schwänzer (12./70,128) sowie die in Rückenlage durch die Prüfung steuernde Hinnemann-Schülerin Marlies van Baalen mit Phoebe (25/67,106) konnten so die Erfolgsserie niederländischer Dressurequipen nicht aufrecht erhalten.

Wenn die deutschen Pferde, Totilas ausgenommen, noch an etwas feilen müssen - wenn sie es denn selbst können, sonst müssen das die Trainer übernehmen - dann sind es die Piaffen. Im Fall von Isabell Werths El Santo war das wirklich die einzige wirkliche Schwäche in der Aufgabe. "Ernie" ist ein Pferd, das immer alles richtig machen möchte. Beim Piaffieren steht er sich dabei manchmal selbst im Weg. Er kommt mit dem Hinterbein so weit unter seinen Schwerpunkt, dass er Schwierigkeiten hat, Takt und Fleiß zu halten. Mehr als vereinzelt eine Sieben war da heute in dieser Lektion nicht drin, aber Ernie ist jung, Piaffen immer auch eine Frage von Kraft und Routine und Isabell Werth weiß auch schon, wie sie das Problem angehen wird. "Ihn etwas höher nehmen im Hals, dann klappt das bald besser". Alles andere klappte schon jetzt besser: Viele Achten, und diverse Neunen erzielte Werth für einen Ritt, der durch Leichtigkeit und eine tolle Anlehnung bestach. Dass sie auf Risiko geht, das erwartet man. Heute wurde das belohnt: Viermal eine Neun für den letzten starken Trab, dieselbe Note tauchte dann auch noch in den so wichtigen, weil mit zwei multiplizierten Schlussnoten (77,83).
Werth war überglücklich: "Kleinere Pirouetten kann ich mir gar nicht vorstellen, Ernie ist so ein tolles Pferd, das immer kooperativ ist. Man muss ihn stets vor sich selbst schützen, so sehr bemüht er sich, sein bestes zu geben". Und mit einem drittenPlatz hinter den WM-Toppferden aus dem Ausland im Rücken, zeigt sie auch selbstbewusst ihre Marschrichtung auf: Über Leistung im Viereck eine Lanze brechen für Pferde, die vielleicht nicht so schön (schwarz) sind wie Totilas, aber durch ihren Ehrgeiz und ihren Einsaztwillen ebenso zu überzeugen wissen.
Nach dem Ausfall von Anabel Balkenhols Dablino, der beim Abreiten plötzlich lahm ging, waren erst einmal lange Gesichter bei der deutschen Equipe zu sehen gewesen. Christoph Koschel, der mit Donnperignon hinter den Erwartungen zurückblieb, sagte, er sei geschockt gewesen. "Das hat uns alle beschäftigt, das ist blöd fürs Team und natürlich besonders ärgerlich für den Reiter". Sein Donnperignon habe sich draußen super angefühlt, deswegen sei er recht unberschwert ins Stadion geritten. Zu Beginn sah alles noch gut aus: gutes Halten, dynamische Trabverstärkung, gute Passage. Aber schon in der ersten Piaffe kündigte sich an, dass "Pepe" heute nicht von Hause aus auf "Turbo" eingestellt war. Eine klebende Piaffe, dann am Ende der doppelt zählenden Zickzacktraversale anstatt eines Wechsels ein Hüpfer in den Kreuzgalopp, danach ein paar unkoordinierte Trabtritte. So etwas darf man sich nicht erlauben, schon gar nicht in Aachen. "Das war 100 Prozent mein Träumen, ich bin da wie eingelullt durchgeritten - übermorgen passiert mir das nicht noch mal". Immerhin wurde Koschel aber noch guter Sechster mit 73,632 Prozent, hinter dem WM-Bronzemedaillengewinner Steffen Peters (USA) und Ravel (77,191). Der kräftige KWPN-Wallach ging eine solide Runde ohne nennenswerte Fehler. Es war mehr eine Summe von Kleinigkeiten, die das Gesamtbild störten, so die unstete Anlehnung in einigen Piaffen, die der Wallach auf kleinstem Raum zeigt. Das ganz große Strahlen des Weltcupsiegers von vor zwei Jahren, der ja gerade einmal 13 Jahre alt ist, wollte heute nicht so recht einsetzen.

Quelle: st-georg.de