02.08.2016
Es war zu erwarten! Als vorletztes Pferd der Prüfung bei der Premiere der Weltmeisterschaften der siebenjährigen Dressurpferde in Ermelo holte Sezuan den zweiten Titel am heutigen Tag für das Dänische Warmblut und den dritten für sich selbst.
Was hat Dorothee Schneider da für ein Zukunftspferd unter dem Sattel! An Sezuans Titelgewinn gab es auch heute nichts zu deuteln – wenngleich der dänische Warmblüter v. Zack-Don Schufro (Z.: Linette Jaeger, B.: Gestüt Peterhof) sich heute auch nicht mehr ganz so überlegen zeigte wie noch in der Qualifikationsprüfung. In einer anderen Liga als der Rest des Feldes spielte er dennoch. Allerdings schien der sonst so coole Hengst heute etwas unter Spannung zu stehen. Das begann schon beim Einreiten im versammelten Galopp, als er vor dem Halten hinten beidseitig sprang. Dementsprechend vorsichtig schickte Dorothee Schneider Sezuan in die erste Trabverstärkung – wobei der Hengst auch mit halber Kraft voraus immer noch mehr trabt als zwei Drittel seiner Konkurrenten. Eben weil Schneider hier in den Augen der Richter ein wenig mehr hätte riskieren sollen, gaben sie für den Trab keine 10, sondern „nur“ eine 9,8. Ansonsten gab es in der ersten Hälfte der Prüfung kaum etwas, was man sich hätte besser vorstellen können. Takt, Kadenz, Elastizität und Ausdruck suchen im Trab ihresgleichen. Und das beste: Sezuan hält das auch in den Seitengängen. Im Schritt dehnte er sich an die Hand heran und marschierte groß, fleißig und gelassen los, 9,8. Im Galopp baute der Hengst dann jedoch leichte Spannungen auf. Vor der ersten Pirouette, der nach links, sprang er einmal mit beiden Hinterbeinen gleichzeitig. Er begann zunehmend mit dem Schweif zu schlagen, besonders vor den Wechseln. Dennoch gelang es Dorothee Schneider mit viel Gefühl die Dinge unter Kontrolle zu halten. Die Wechsel waren trotz Spannung schnurgerade nach vorne-oben gesprungenen. Die Galoppverstärkung? „Bergaufer“ und kraftvoller geht’s nicht! Das alles sind Highlights, wie man sie auch in der heutigen Pferdezucht selten zu sehen bekommt. Die Richter: „Eigentlich ist der Galopp seine beste Gangart, aber heute zeigte Sezuan leichte Spannungen im Rücken vor den fliegenden Wechseln. Darum heute eine 9,4.“ Diese „leichten Spannungen“ schlugen sich auch in der Durchlässigkeitsnote nieder – wobei dem gegenüber unter anderem die geschmeidigen Seitengänge und die vorbildliche Dehnung beim Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen im Trab standen, 9,3. Und die Perspektive? An der gibt es nicht’s zu interpretieren: 10,0. Mit insgesamt 89,005 Prozent Weltmeister zum Dritten!
Silber ging an ein schwedisches Duo: die Grand Prix-Reiterin Jeanna Hogberg – übrigens in der 26. Woche schwanger – und den SWB-Wallach Fiorucci HT v. Florencio-Rubinrot (Z. u. B.: Absolut Dental AB). Dass diese beiden ein eingespieltes Team sind, konnte man sehen. Jeanna hatte das Glück, Fiorucci schon als Fohlen auf der Weide beobachten zu können. Sie war es dann auch, die ihn dreijährig angeritten und von da an ausgebildet hat. Die beiden sind ein super harmonisches Paar. Zu Anfang schielte der Fuchs noch ein paar Mal in Richtung Tribünen, aber er blieb stets bei seiner Reiterin und präsentierte sich mit steter Bergauftendenz in leichter, sicherer Anlehnung. Er mag nicht ganz so ein Bewegungsgenie sein wie Sezuan, aber er Jeanna ist sich sicher, in ihm ihr zukünftiges Grand Prix-Pferd unter dem Sattel zu haben.
Man sah Stefanie Wolf die Erleichterung an, als sie zum zweiten Mal bei X stand mit der Rheinländer Stute Saphira Royal v. San Amour-Monteverdi (Z.: Herbert Werth, B.: Johann Hinnemann, bei dem Stefanie Wolf als Bereiterin arbeitet), die als Reit- und als Dressurpferd regelmäßig gut platziert beim Bundeschampionat war, aber noch nie an einer Dressurpferde-WM teilgenommen hat. In der Qualifikation hatten die beiden noch einen ärgerlichen Fehler gehabt, heute lief alles wie am Schnürchen. Von der ersten bis zur letzten Grußaufstellung präsentierten die beiden einen Ritt voller Harmonie und Leichtigkeit mit Highlights in den Fliegenden Wechseln, den Galopp- und Schrittpirouetten und den Rittigkeitsaufgaben, wie dem Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen. Die Stute dehnte sich vertrauensvoll an die Hand heran und davon profitierte der gesamte Ritt. Was die Richter sich besser gewünscht hätten, waren beispielsweise die Trabverstärkungen („etwas eilig, 8,4) und der Galoppsprung („mehr Bergauftendenz“, 8,0). Das floss dann auch etwas in die Durchlässigkeitsnote ein, die aber immer noch eine glatte 9,0 war, eben aufgrund der Leichtigkeit und Harmonie der Vorstellung. Alles in allem kam das Paar gleich zum Auftakt der Prüfung auf 78,641 Prozent und hielt die Führung bis fast zum Schluss. Stefanie Wolf war zu überwältigt für große Worte: „Das ist unglaublich für mich, einfach fantastisch“, strahlte sie in die Runde und machte sich dann schnell wieder auf den Weg. Schließlich gibt es heute ja auch etwas zu feiern!