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Gold für die deutsche Dressur-Mannschaft in Rio

16.08.2016

Souverän zum Gold bei Olympia: In Rio hat die deutsche Dressurmannschaft mit einer überragenden Leistung die Goldmedaille gewonnen. Isabell Werth gewann ihre sechste Goldmedaille bei Olympischen Spielen – damit ist sie die erfolgreichste Olympia-Reiterin aller Zeiten!

Sechsmal Gold, dreimal Silber, damit hat sie sogar die Dressur-Legende Dr. Reiner Klimke, Vater von Ingrid Klimke, eingeholt, den Olympiasieger von 1984, der zwar auch sechsmal Gold plus zweimal Bronze gewann, Werth aber zusätzlich dreimal Silber.

Mit einem Notendurchschnitt von 81,936 Prozent verwiesen die Deutschen die Briten auf Platz zwei (78,602), Bronze ging an die USA (76,667).

Werth machte auf der Rappstute Weihegold als letzte deutsche Reiterin den Sack zu, ein Ritt voller Anmut und Leichtigkeit. Nicht den kleinsten Fehler erlaubte sich die elfjährige Oldenburger Don Schufro-Tochter. Sie ging um Klassen besser als gestern im Grand Prix. Mit jeder Faser war sie bei ihrer Reiterin und bemüht, ihr Allerbestes zu geben. Werth mit ihrer ganzen Erfahrung ließ nicht einen einzigen Punkt durch Unachtsamkeit oder ungenaues Reiten liegen. „Es hat unheimlich Spaß gemacht unterwegs, da durfte auch mal ein kleines Lächeln sein“, sagte sie nach ihrem Ritt. Die Stute immer in schönem Seitenbild, die Nase immer vor der Senkrechten, sicher in der Anlehnung, geschlossen und mit Schwung aus der Hinterhand. „Es wird schwer werden, diese Leistung in der Kür am Montag zu wiederholen“, sagte Werth. Höhepunkte waren wie immer die sicheren taktmäßigen Piaffen und Passagen, mit Übergängen, für die es auch schon mal eine Zehn gab. In der zweiten Piaffe schnaubte Weihegold, wie auch im Grand Prix, blieb aber schön im Takt. Ausgerechnet der deutsche Richter Peter Holler hatte Werth nur auf Rang drei. „Er wird jetzt wohl mal in sich gehen“, sagte Isabell Werth. Für die Kür am Montag bleibt sie realistisch: „Wir wollen jetzt mal die Kirche im Dorf lassen. Charlotte (Dujardin) hat heute einen Fehler gemacht, das wird ihr am Montag nicht nochmal passieren. Sie bleibt die Favoritin.“

Zum ersten Mal seit zwei Jahren wurde die Olympiasiegerin von 2012, die Britin Charlotte Dujardin auf Valegro, bei einem Championat geschlagen. Der 14-jährige Braune leistete sich einen dicken Patzer, als er plötzlich am Anfang der Linkstraversale angaloppierte, hinzu kam ein Fehler in den Galoppwechseln zu zwei Sprüngen. Das konnte er durch seine gewohnten Stärken in den Piaffen und Passagen diesmal nicht ausgleichen. 83,025 Prozentpunkte reichten nur für Platz zwei. 

Mit einem grandiosen Ritt setzte sich Dorothee Schneider (über die wir hier einige Fakten zusammengetragen haben) mit dem zehnjährigen Hannoveraner Showtime auf Zwischenrang drei (82,619), hat jetzt auch die Chance auf eine Einzelmedaille. Sie gehörte bereits in London zum Silberteam, musste ihr Pferd Diva Royal sofort nach den Spielen abgeben. Damals flossen Tränen. Diesmal wieder, aber vor Freude. „Wenn man sieben Jahre mit einem Pferd zusammenarbeitet, und es kommt so etwas dabei raus, das ist schon sehr emotional“, sagte die Ausbilderin. Wie mit Siebenmeilenstiefeln durcheilte der mächtige Braune v. Sandro Hit die Diagonalen, paradierte stolz in den Passagen, glitt geschmeidig in die Seitwärtsbewegung bei den Traversalen, erlaubte sich keinen Fehler in den schwierigen Galoppwechseln, nur eine kleine Stockung am Ende der Rechtspirouette, folgte gehorsam den feinfühligen Aufforderungen seiner Reiterin – ein Bild voller Kraft und Energie. 17 Mal zogen die Richter die Traumnote zehn, unter anderem für Sitz und Einwirkung der eleganten Reiterin.

Der 21-jährige Sönke Rothenberger setzte als erster deutscher Reiter mit einem sehr guten aber nicht medaillenverdächtigen Ritt seinen gelungenen Olympiaeinstand fort. Cosmo bestach durch schwungvolle Verstärkungen und kraftvolle Passagen. „Jetzt hat alle Welt gesehen, dass Cosmo ein Weltklassepferd ist“, sagte er. Anders als im Grand Prix drückten mehrere Fehler in den fliegenden Galoppwechseln die Wertnoten. „Ich weiß woran ich arbeiten muss“, sagt er.

Cosmo ist mit seinen neun Jahren das jüngste Pferd des Feldes und hat noch eine olympische Zukunft vor sich. Mit 76,261 Prozent rangiert er auf Platz zehn, darf aber als Streichergebnis am Montag nicht mehr in der Kür um den Einzeltitel kämpfen, nur drei Reiter pro Nation sind zugelassen. Bei der Siegerehrung sorgte Cosmo noch für Aufregung, trat mit dem Vorderhuf Rothenbergers Pfleger Robby Sanderson an den Kopf. Er blieb eine Weile liegen, aber es sah wohl schlimmer aus, als es war. Nur zum Durchchecken wurde er noch ins Krankenhaus gefahren. „Jetzt hat Robby ein paar Tage eine Indianerfrisur“, sagte Isabell Werth. Auch auf der Ehrenrunde gebärdete er sich etwas wild, als ihm die Schleife um die Augen schlug. Mit vereinten Kräften konnten Isabell Werth und Sönke Rothenberger sie vom Zaumzeug reißen, dann war Ruhe.

Die Briten leben von ihrem Eckpfeiler Carl Hester, der alle drei Pferde und sich selbst mit Nip Tuck v. Don Ruto (76,458, Prozent, 9.) trainiert, außer Dujardin und Valegro auch Fiona Bigwood mit Orthilia v. Gribaldi (74,342 Prozent, 16.) und Spencer Wilton mit Super Nova II v. De Niro (73,613, Prozent, 21.).

Kein anderer Reiter als Carl Hester bekäme wohl mit dem etwas poesielosen, und zudem sehr guckigen Braunen Nip Tuck mehr als 76 Prozent. Mit gleichmäßigen Piaffen und Passagen und einer sicheren Galopptour sammelte er die für die Silbermedaille wichtigen Punkte.

Fiona Bigwood gefiel wie schon mit Grand Prix mit ihrer feinen, leichtfüßigen Totilas-Halbschwester, der Oldenburger Stute Orthilia. Leider gelangen die Piaffen, sonst eine Paradelektion der Rappstute, diesmal nicht. Um Platz drei, Bronze, kämpften vor allem zwei Teams, die Niederländer und die US-Equipe.

Die Niederländer, früher die stärksten Gegner der Deutschen, landeten auf dem medaillenlosen vierten Platz. Sie traten nach dem Ausfall von Adelinde Cornelissen und Parzival nur noch mit drei Reitern an.

Im Deutschen Haus wurde gestern die Dressur-Goldmedaille Nummer 13 gefeiert. Die erste gab’s vor 88 Jahren, 1928, mit Freiherr von Langen als Einzelsieger, dann ab 1964 regelmäßig in wechselnder Besetzung – mit bisher nur drei Ausnahmen: 1972, ausgerechnet vor eigenem Publikum mussten die Deutschen die Russen vorbeiziehen lassen. 1980 boykottierte das Nationale Olympische Komitee (NOK) die Spiele in Moskau wegen des russischen Einmarschs in Afghanistan und 2012 schließlich waren die Briten in London nicht zu schlagen. Das Siegen ist nicht mehr so selbstverständlich. Und deswegen macht es irgendwie viel mehr Spaß.